Alishan | 1. – 2. Juni 2020
Die Zugfahrt nach Chiayi dauerte ca. 4 Stunden. Ich nutzte diese Zeit, um mich meiner Arbeit zu widmen. Cool, wenn man von überall aus arbeiten kann. Was uns in Chiayi erwartete? Eine Hitzewand von gefühlt 40 Grad. Bereits vermissten wir die kühle Brise, die die Hitze in Jinzun auch an heissen Tagen erträglich machte.
Was macht man einen ganzen Nachmittag in einer „brätelnden“ Stadt? Erstmal die Tickets für unsere Zugfahrt nach Alishan vom morgigen Tag abholen. Doch am Schalter winkte man uns ab. „Sorry, Internet is broken. Come back tomorrow, 8 o’clock.“ Ok, da hatte wohl jemand wieder mal das Internet gelöscht. 😂 Dann holen wir uns die Tickets halt gleich am nächsten Morgen vor der Abfahrt.
Wir quälten uns etwas widerwillig durch die heisse Stadt und besuchten den Garage Park des berühmten „Alishan-Züglis“.






Auch den „Sleeping Forest“ sahen wir uns an. Niedlich. Aber dieser max. 20 m2 grosse „Spielplatz“ als Sehenswürdigkeit zu bezeichnen, fanden wir dann doch etwas übertrieben.




Nach ein paar Stunden zu Fuss durch die Stadt waren wir am Ende. Ab ins klimatisierte Hotelzimmer. Einen Nachmittag in Chiayi reicht absolut aus. Nun freuten wir uns auf unser Alishan-Abenteuer.
Alishan in 22 Stunden
Als wir um Punkt 8.00 Uhr − Schweizer halt − vor dem Ticketschalter standen und die Tickets für die Zugfahrt abholen wollten, winkte man uns wieder ab: In der Nacht waren Felsbrocken auf die Bahngleise gedonnert. So schnell fährt da kein Zug mehr durch. So schade, denn diese Strecke muss wirklich etwas Besonderes sein. Es wurde uns von diversen Leuten empfohlen, den Zug nach Alishan zu nehmen, obwohl es auch Busse gibt, die deutlich günstiger sind.
Dann nehmen wir halt den Bus. Wir warteten an der Bushaltestelle mit ein paar anderen Touristen. Alle 5 Minuten kam eine Frau vorbei und wollte uns eine „Taxi-Fahrt“ nach Alishan andrehen. Und da war auch noch ein besonders pingeliger, älterer Herr, der bei der Haltestelle wohl für „Ruhe und Ordnung“ sorgte. Allen, die sich der Haltestelle ohne Maske näherten, winkte er energisch zu und schimpfte etwas auf Chinesisch. Auch uns hatte er wohl auf dem Kicker, da wir etwas abseits der restlichen Touristen standen und nicht genau dort, wo der Bus halten würde. Immer wieder winkte er uns rüber und schüttelte den Kopf. Was für ein Schauspiel. 😂


Nach einer 2.5-stündigen Busfahrt durch grüne Hügel, Palmen- und Teeplantagen kamen wir kurz vor dem Mittag in der Alishan Forest Recreation Area an, wo wir uns ein Hotelzimmer am Rande der Recreation Area gebucht hatten. Also ging es gleich durch das grosse Tor in die Recreation Area rein, wo ein Parkwächter bereits auf uns wartete. Es wird eine Parkgebühr verlangt, wenn man eintreten will. Da wir mit dem öffentlichen Verkehr angereist waren, mussten wir nur die Hälfte der Parkgebühr bezahlen. Flott. Das Hotel fanden wir schnell: es hatte nur eine Hotel-Area, wahrscheinlich etwa 15 Hotels aneinander gereiht.
Wir deponierten unser Gepäck, packten den kleinen Tagesrucksack und los gings in die Natur.
Alishan ist ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen aus aller Welt. Aufgrund der Epidemie bekamen wir davon aber praktisch nichts mit. Aber Fotos, Reiseführer und Infrastruktur vor Ort verraten, welche Menge an Touristen hier vor der Epidemie wohl begrüsst wurden.
Die Bahnlinie von Chiayi bis nach Alishan wurde ursprünglich von den Japanern für den Forstbetrieb gebaut. Denn in Alishan wächst wertvolles Zedernholz. Nebst den Zedern beeindrucken vor allem auch die riesigen, roten Zypressen, die bald zur Touristenattraktion wurden. Auch die Kirschbäume seien zur Blütezeit ein Attraktion. Also entschied man, die Gleise auch für den Tourismus freizugeben. Das Passagier-Zügli fährt aber nur 1x täglich in Richtung Alishan. Früh buchen lohnt sich also.



Um sich den Wald und vor allem die roten Zypressen anzuschauen, wurde ein kleiner Waldpark sowie ein schöner Holzweg angelegt. Vor den riesigen Bäumen steht jeweils eine Tafel, die mehr über den Baum verrät. Wir staunten nicht schlecht, als wir sahen, wie alt die Bäume waren. Zwischen 1500 und 2000 Jahre. Unfassbar.
Der grösste und älteste Baum, Sacred Tree genannt, ist 2300 Jahre alt, 45 Meter hoch und hat einen Umfang von 12,3 Metern. Gigantisch, oder?


Wir folgten dem Weg weiter in den Park hinein und kamen zu einer weiteren Augenweide: Den Sister Ponds. Es wird erzählt, dass zwei Schwestern in diesen zwei Teichen Selbstmord begangen hätten, da sie beide den selben Mann liebten und doch beide dem Glück der anderen Schwester nicht im Wege stehen wollten. Diverse Websites munkeln aber, dass diese Geschichte nur erfunden wurde, um die Teiche „attraktiver“ zu machen. Obwohl wir ja den Gedanken, dass da zwei Leichen auf dem Teichgrund liegen, nicht besonders anziehend finden. 😅

Gleich neben den Sister Ponds startete unsere Wanderung: Der Tashan Trail. 6.1 km − ein Schnäppchen. Dachten wir. Doch die Wanderung − auch wenn sie sehr schön war und durch eindrückliche Wälder führte − zog sich extrem in die Länge. Unsere Beine wurden immer schwerer. Stufe für Stufe kämpften wir uns dem Gipfel entgegen. War unsere Kondition so im Keller oder spürten wir vielleicht doch die Höhe ein wenig?
Völlig erschöpft kamen wir auf dem Gipfel an. Vor uns eine weisse Wand. Nebel. Schade, die Aussicht von hier oben müsste wunderschön sein. Wir gönnten uns einen kleinen Snack und eine Verschnaufpause und siehe da, der Nebel riss etwas auf und wir konnten doch noch einen Blick erhaschen.





Zurück ging es den selben Weg. Der Nebel hatte sich nun auch im Wald verbreitet. In dieser mystischen Stimmung gings zurück zum Hotel. Wir fühlten uns wie in einem Harry-Potter-Film. Vor allem auch als wir bemerkten, dass wir von weitem beobachtet wurden:



Ihr könnt es ahnen, wie glücklich wir − und vor allem unsere Beine − waren, als wir das Hotelzimmer betraten. Wir gönnten uns eine wohlverdiente Dusche und ein paar Minuten „Bein-hochlagern“.
Dann gings ab auf die „Znacht-Suche“. Wieder mal hat uns die Nase an den richtigen Ort geführt. Wir hatten keine Lust auf ein überteuertes Touristenrestaurant. Doch gleich neben dem grossen Parkplatz gab es eine kleine Halle, in welcher diverse Essensstände aufgereiht waren. Leckeres, einheimisches Essen zu angemessenen Preisen. 1x Reis mit Poulet, 1x Reis mit Porc und etwas Gemüse dazu. Perfekt.
Mit vollen Mägen plumpsten wir anschliessend todmüde ins Bett. Der Wecker am nächsten Morgen würde bereits um 3.30 Uhr klingeln, da wir eine Sonnenaufgangs-Tour geplant hatten. Ein Muss in Alishan.
Oh du goldigs Sünneli
Als der Wecker uns aus dem Tiefschlaf zerrte und wir verschlafen aus dem Bett torkelten, gab es bereits das erste „Ah“ und „Aua“ zu hören. Muskelkater. Vom Feinsten. Wie Stiche in die Wadli. Ans Dehnen hatten wir gestern natürlich nicht mehr gedacht. 😅
Da mussten wir jetzt durch. Auch heute würden wir nochmals ein paar Kilometer zu Fuss zurücklegen. Mit einem Zügli − hier oben gab es zum Glück keinen Steinschlag − tuckerlten wir zusammen mit etwa 100 anderen Leuten zur bekannten Zushan Sonnenaufgangsplattform. Von der Zug-Endstation führte ein kurzer Weg zur Plattform, wo sich na-dis-na immer mehr Leute versammelten.
Kurz bevor die Sonne aufging, drängte sich eine Frau mit Mikrofon durch die Menge. Es ging nicht lange, standen alle anderen Touristen dicht gedrängt um die Frau herum. Wir verstanden sowieso kein Wort, also blieben wir etwas abseits und beobachteten das Geschehen. Etwas später startete die Frau dann plötzlich noch mit Infos auf Englisch. Was sie vorher in 15 Minuten auch Chinesisch erzählt hatte, fasste sie für uns in 3 Minuten auf Englisch zusammen. Effizient, effizient.😂



Eigentlich war es ein wunderbarer Ort, um den Sonnenaufgang zu schauen. Aber all die Leute um uns herum, mit ihren Handys, Kameras, GoPros, Selfiesticks und Drohnen schwächten das Erlebnis etwas ab. Und wir sind halt auch etwas verwöhnt mit den schönen Sonnenaufgängen in den Schweizer Bergen. 😉




Wir genossen die ersten, wärmenden Sonnenstrahlen und machten uns dann auf in Richtung Dörfchen. Die Faulen nahmen den Zug zurück. 😋
Etwa eine Stunde lang führte uns der Weg durch den Wald zurück zum Hotel. Wir durchquerten nochmals die Recreation Area mit den vielen schön angelegten Holzwegen. Beeindruckend, wie viel Mühe man sich hier machte, um den Park für Touristen zugänglich zu machen.










Zurück im Hotel reichte es noch für einen Powernap bevor wir bereits wieder den Bus in die Stadt nahmen. Insgesamt waren wir nur 22 Stunden in Alishan. Es fühlte sich aber an wie ein „verlängertes Wochenende“. Die frische Luft und die Wälder haben so gut getan.
Weiter geht’s nach Tainan
Warum das erholte Gefühl bereits bei der Busfahrt zurück nach Chiayi wieder verflog und welches lustige Fortbewegungsmittel uns in Tainan erwartete, erfahrt ihr im nächsten Blogbeitrag.