Shei-Pa National Park | 22. – 25. Juni 2020
Yes. Wir hatten im Zug wieder unseren Lieblingsplatz ergattert. Direkt bei der Tür. Dort, wo es hinter den Sitzen extra viel Platz fürs Gepäck hat. Wir wollten es uns gerade gemütlich machen, als uns ein aufgeregter Fahrgast sein Ticket unter die Nase hielt. Er zeigte auf die Sitznummern, die unsere Sitze zierten. Und dann wieder auf sein Ticket.
Hoppla. Wir hatten wohl seinen Platz erwischt. Also hieften wir uns wieder aus unseren Sitzen, packten unsere Rucksäcke und gingen ein paar Sitzreihen weiter. Gerade als wir uns dort hinsetzen wollten, winkte ein anderer Passagier aufgeregt mit seinem Ticket.
Wir schauten uns irritiert um. Irgendwie schienen alle Leute irgendwelche Papierzettel in den Fingern zu halten. Nur wir nicht. 😅
Ein älterer Herr, der die Situation beobachtet hatte, sprach uns auf Englisch an. Etwas forsch meinte er, dass in diesem Zug eine Sitzplatzreservation verlangt sei.
Wir schauten uns an und auf die Uhr. Keine Zeit nochmals auszusteigen. Also warteten wir – beobachtet von ca. 20 «gwundrigen» Taiwanesen – bis alle Leute ihre Sitzplätze eingenommen hatten und setzten uns auf die übrig gebliebenen Sitze.
Bei jedem Halt des Zuges hofften wir, dass möglichst wenig Leute einstiegen. Und zum Glück mussten wir bis Luodong nur noch ein Mal «unsere» Plätze freigeben. 😅
Nachdem wir unser kleines Zimmer in Luodong bezogen hatten, gönnten wir uns einen kurzen Powernap. Hello Kitty leistete uns Gesellschaft. Wir sind es uns von Wai’ao ja bereits gewöhnt, dass uns dieses «Büsi» von der Zimmerwand zulacht. 😉

Dann gingen wir einfach mal druflos und landeten direkt beim Night Market. Hier genossen wir unter anderem die mit Abstand längsten – und tatsächlich auch leckersten – Pommes von Taiwan.






Mit vollen Bäuchen und viel Vorfreude in den Herzen ging es zurück in die Unterkunft. Denn am nächsten Tag durften wir June, Fiona und Dara wiedersehen.
Jinzun-Crew wiedervereint
Was für eine Wiedersehens-Freude. Die Jinzun-Crew war wieder vereint und bereit für ein neues Abenteuer – in den Bergen.
Zu fünft quetschten wir uns in den Wagen von June. Fünf Menschen mit fünf riesigen Rucksäcken. Das Auto war eigentlich bereits übervoll, als wir beim Supermarkt hielten. Der Proviant für die nächsten vier Tage fehlte aber noch.
Nur June hatte sich bereits vorbereitet und ihre Speisen im Voraus gepackt. Jede Mahlzeit in einem Plastikbeutel, um kein Gramm zu viel auf den Berg zu tragen. Allgemein hatte sie sich wohl am meisten mit der Wanderung auseinandergesetzt. Sie hatte uns mit Kartenmaterial ausgestattet, das Wetter und die Wasserreserven bei den Hütten geprüft und für uns alle wichtigen Infos auf Englisch übersetzt. Sie hatte auch die Hütten reserviert und die Wandererlaubnis eingeholt. Zusammengefasst: Ohne June, hätten wir diese Wanderung nicht machen können. June war sozusagen unser «Wandergrüppchen-Mami».
Remo und ich hatten zwar einen kleinen «Menüplan» zusammengestellt. Aber irgendwie landeten schliesslich doch andere Produkte in unserem Einkaufswagen. Remo meinte, es sei zu viel. Ich hatte das Gefühl, wir würden unterwegs verhungern. 😂
Die Stimmung war ausgelassen, als wir mit den grossen Einkaufstüten den Laden verliessen und auch noch die letzten Ecken und Ritzen im Auto mit Esswaren ausfüllten.
Drei Tage lang würden wir nun in den Bergen verbringen. Unser Ziel: 4 Berggipfel in 3 Tagen – der Wuling Quadruple Mountains Trail. Der Wetterbericht meldete Sonnenschein und wir waren alle fit und munter. Es konnte los gehen.
Damit wir am nächsten Tag noch vor der Dämmerung losgehen und uns bereits etwas an die Höhe gewöhnen konnten, hatten wir eine Nacht im Wuling Farm Campground – etwas über 2000 m ü. M. – gebucht.



Nachdem wir unsere Zelte aufgebaut und unsere Wanderrucksäcke gepackt hatten, gönnten wir uns einen gemütlichen Nachmittag bei Spiel und Spass. Wir waren aber nicht immer ganz bei der Sache. Auf dem Campground lebten viele Affen. Und wir mussten Acht geben, dass uns die Affen nicht unseren Proviant klauten. So war Dara immer mal wieder mit zwei Stöcken in den Händen bewaffnet auf «Affen-Verjag-Mission». 😂
Um 20.00 Uhr gings voller Vorfreude und mit etwas Nervosität in die Heia. Was uns wohl erwarten wird die nächsten Tage?
1. Tag | Wuling Farm – Mt. Chiyou – Xinda Hütte
Um 3.30 Uhr klingelte der Wecker. Das Zelt hatten wir schnell abgeräumt. Eine Banane zum Frühstück und schon ging es los zum Startpunkt der Wanderung. Dort befand sich der ominöse Wander-Briefkasten. Jeder Wanderer, der sich auf eine Mehrtagestour machte, musste dort seine Erlaubnis inkl. Kontaktangaben, Notfallnummern, Wanderroute und Zeitplan einwerfen. So wollen die Parkranger kontrollieren, wer gerade wo unterwegs ist.
Im Dunkeln führte uns zuerst ein asphaltiertes Strässchen tiefer in den Wald hinein. Nach 40 Minuten ging es dann richtig zur Sache. Ein schmaler Waldpfad mit vielen Stufen führte steil aufwärts und raubte uns den Schnauf. Gemäss Kartenprofil würde es nun etwa vier Stunden lang so weiter gehen. Am Rücken unsere zwar nicht unbedingt grossen, aber trotzdem rund 15 Kilogramm schweren Rucksäcke. Denn wir mussten praktisch alles Wasser für die nächsten zwei Tage auf den Berg tragen. Die Wasserreserven bei den Hütten waren fast aufgebraucht.
Auch wenn wir erst bei knapp 2500 m ü. M. waren, fühlte sich die Luft irgendwie total dünn an und wir schnauften wie Walrösser. Die letzten 3.5 Monate hatten wir auf Meereslevel verbracht und beim Surfen zwar unsere Arme aber nicht unbedingt die Beine trainiert. Ob wir als eigentlich regelmässige Berggänger tatsächlich die Höhe spürten? 😅







Wir waren bereits zwei Stunden unterwegs als ich plötzlich meinen Namen hörte: «Julia?»
Wir staunten nicht schlecht. Vor uns stand Tracey. Eine junge Taiwanesin, die wir vor ein paar Wochen auf der Insel Lanyu kennen gelernt hatten. Sie hatte uns auf die Idee gebracht, diese Wanderung zu machen. Wir hatten noch ein paar E-Mails mit ihr ausgetauscht, waren uns aber nicht sicher, ob sie nun auch an denselben Tagen hier in den Bergen sein würde.
Sie war mit zwei Freundinnen unterwegs und hatte im Wald gecampt. Wie toll, dass wir uns bereits hier getroffen hatten. Also ging es zu acht weiter den steilen Weg hinauf. Tracey, das Powerbündel, voraus und wir hinterher. Doch auch unserem «Zuwachs» machte die Steigung zu schaffen. Wir liessen es also langsam angehen und gönnten uns immer mal wieder eine Pause.

Nach einer gefühlten Ewigkeit und etlichen zurückgelegten Höhenmetern hatte der Weg etwas erbarmen mit uns. Es wurde etwas weniger steil und abwechslungsreicher. Kleine Kletterpassagen hielten uns auf Trab. Diese waren zum Glück mit kurzen Seilen ausgestattet, damit wir uns daran festhalten konnten.
Dann kam der Wegweiser zum ersten Highlight der Wanderung: Unser erster Gipfelaufstieg zum Mount Chiyou auf 3303 m ü. M. Ein 30-minütiger Aufstieg. Schäppchen.
Wir liessen unsere schweren Rucksäcke zurück, da unser Weg anschliessend wieder vom Wegweiser weiterführte. Mit einer Wasserflasche und ein paar Snacks ausgerüstet, nahmen wir die letzten Höhenmeter fast beflügelt in Angriff.





Nach dem Abschied vom Mount Chiyou ging es nochmals abwechslungsreich weiter. Über Wurzeln, kleine Felswände, schmale Wege. Wir konnten uns fast nicht satt sehen an dieser wunderbaren Natur und der beeindruckenden Aussicht auf die anderen 3000er und 4000er der Gegend.










Dann hatten wir endlich unser Tagesziel erreicht: Die Xinda-Hütte auf etwas mehr als 3000 m ü. M. Unser erster Übernachtungsort. Die Hütte hat Platz für 24 Personen und ist ganz schlicht einrichtet. Dagegen sind unsere SAC-Hütten in der Schweiz purer Luxus. Es hatte einen mattierten Boden, zwei «grusige» Plumpsklos, zwei Tischgarnituren und zwei grosse Wassertanks. That’s it.
Wir waren dankbar, dass wir doch noch ein bisschen Wasser aus den Wassertanks beziehen konnten. Das Wasser mussten wir jedoch filtern, da es sich um Regenwasser handelte, das weiss nicht wie lange bereits in den Tanks auf uns wartete.
Müde vom Marsch gönnten wir uns eine «Katzenwäsche» und ein ausgewogenes, etwas verspätetes Zmittag. Die Sonne schien und so konnten wir im T-Shirt draussen sitzen und Karten spielen. Ein tolles Gefühl.






Immer mehr Leute tauchten bei der Hütte auf und bald waren alle Schlafplätze besetzt. June, Fiona, Dara und wir zwei teilten uns einen Gaskocher und nahmen so unser Abendessen gestaffelt ein. Vereinzelte Gäste konnte ein paar Worte Englisch und so tauschten wir unsere Erlebnisse und unsere Wanderpläne mit ihnen aus. Einige hatten denselben Plan wie wir. Andere waren bereits auf dem Rückweg und hatten nur noch einen Gipfel auf der To-Do-Liste.
So neigte sich ein anstrengender Tag dem Ende. Bereits ab 19.00 Uhr verabschiedeten sich einzelne Leute zum Schlafen. Wir taten es ihnen nach und freuten uns auf Gipfel 2 und 3, die am nächsten Morgen auf dem Programm standen.
Weiter geht’s zum Mt. Pintian
Warum wir auf dem Weg zum Mt. Pintian fast wieder kehrt gemacht hätten und welches Naturspektakel uns auf dem Mt. Tao erwartete, erfahrt ihr im nächsten Blogbeitrag.