Lanyu | Wo sich die Welt etwas langsamer dreht

Lanyu | 27. – 29. April 2020

Unsere Gastgeber des Miami-Hostels waren so lieb. Sie standen morgens um 6.30 Uhr bereit, um uns zum Hafen zu bringen. Wir waren froh, dass sie dabei waren. Denn ohne sie wären wir wohl ziemlich aufgeschmissen gewesen. Der Ticketschalter war nämlich ganz am anderen Ende des Hafens und nicht dort, wo das Boot ablegte.

Wir erfuhren von den beiden, dass sie Geschwister sind und ihre Familie noch weitere Hostels in der Nähe von Nanwan führen. Das Miami-Hostel, in welchem wir übernachtet hatten, werde demnächst abgerissen und neu aufgebaut. Dann seien sie bereit, wenn dann hoffentlich wieder mehr Gäste nach Nanwan kämen.

Wir verabschiedeten uns und konnten das Boot nach dem üblichen Prozedere − Maske anziehen, Fiebermessen, Hände desinfizieren − betreten. Juhu, jetzt geht’s los nach Lanyu.

Schaukel-Party ahoi

Bereits die Hinfahrt war ein Abenteuer. Mit knapp 20 anderen Personen fuhren wir aufs offene Meer hinaus. Es schaukelte ziemlich ungemütlich. Und das sollten wir nun mehr als 2 Stunden lang aushalten?

Zum Glück erinnerte ich mich an Mami’s Trick mit dem Taschentuch im Ohr. Das hilft bei Reisekrankheit. Dann vielleicht auch auf der hohen See. So sassen wir die Zeit auf dem Boot ab − mit dem Taschentuch im einen Ohr und den Augen fix auf den Horizont gerichtet. Wir freuten uns bereits darauf, bald wieder Land unter den Füssen zu haben.

Wir hatten die Fahrt zum Glück ohne Seekrankheit überstanden. Andere leider nicht. Wir waren froh, dass wir zuvorderst sassen und das „Würgen“ nur akustisch mitbekamen. 😂

Am Hafen angekommen gingen wir zu Fuss zu unserem Hostel. Wir hatten für die kommenden zwei Nächte zwei Betten in einem Massenschlag gebucht. Direkt beim Hostel konnten wir auch gleich einen Roller mieten. Yes, ohne internationalen Führerschein. 💪🏼

Einmal um die Insel

Wir wollten einfach mal druflos fahren und die Insel erkundigen. Es führte nur eine Strasse (36 km lang) rund um die Insel. Verfahren konnten wir uns also nicht.

Was es hier wohl alles zu sehen gibt? Im Hostel konnte man uns keine Karte geben. Aber an der Hausfassade war der Umriss der Insel gross aufgezeichnet. So zeigte uns die Hostel-Gastgeberin, wo es gute Plätze zum Schnorcheln gäbe, was wir uns ansehen sollten und erwähnte dann noch beiläufig, dass im Norden die Strasse „not good“ ist.

„Nicht gut“ haben wir so interpretiert, dass es vielleicht einige Schlaglöcher hat oder vielleicht zwischendurch nicht asphaltiert ist. „Not good“ bedeutet hier aber anscheinend, dass die Strasse gerade neu gemacht wird und „eigentlich“ gesperrt ist.

Zum Glück hatten wir uns für einen Roller und nicht für ein Auto entschieden. Die Stassenarbeiter winkten uns auf der linken Seite der Strasse vorbei. Ein Balance-Akt zwischen Gebüsch, Bagger und Presslufthammer. Dass man hier mit dem Roller durch die Baustelle kurvt ist anscheinend normal. Keiner der Arbeiter störte sich daran. Wir wurden mit „Hello, hello“ begrüsst und weiter gewunken.

Die Insel hat es uns von Anfang an angetan. Die Aussicht aufs Meer, die Klippen, die Gesteinsformationen, die Höhlen, die Wiesen und die grünen Hügel. Traumhaft. Und irgendwie schien alles so unberührt. Hier hatte es noch Platz für Traditionen. Für das ursprüngliche Leben. Das Wort „Eile“ kennt man hier nicht. Man lebt entschleunigt und geniesst den Moment.

Fahrlässig unterwegs

Auf dem Weg rund um die Insel hat eine Holztreppe am Strassenrand unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Wir schlenderten die erhöhte Holztreppe hinauf. Deren Zustand verschlechterte sich zunehmend, da das Holz morsch war und die Stufen in sich zusammenbrachen. Also ging es neben der Treppe, gleich beim Gebüsch, weiter den Hügel hinauf. Gräser, Wurzeln, Büsche. Wohin dieser Weg wohl führte? Nach etwa 20 Minuten Marsch stoppte Remo abrupt.

„Ich glaube, da ist eine Schlange. Aber ich bin mir nicht sicher.“ Er zeigt mir die Richtung und auch ich sah etwas, dass wie eine Schlange aussah. Dieses etwas bewegte sich aber nicht und hatte eine hellbraune Farbe wie die Wurzeln rundherum. Wir warfen einen Stein in ihre Richtung, um auf Nummer sicher zu gehen und schwup wechselte sie ihre Position. Tatsächlich eine Schlage. O-ooh. Hat es noch mehr davon hier? Wir machten sofort kehrt und gingen eilig zurück zum Roller. Wir sind beide nicht sonderlich Fan von diesen Tieren. Vor allem nicht, wenn wir in Flipflops und Shorts unterwegs sind.

Im Nachhinein war es eine fahrlässige Entscheidung, einfach mal so druflos zu laufen. Im Hostel erfuhren wir nämlich, dass es auf Lanyu einige giftige Schlangen gäbe. Diese seien aber auffällig und man sehe sie „ziemlich“ gut. Ja, da sind wir aber beruhigt. Niicht. 😅

Paradies für Geniesser − und Rollerfans

Um uns von unserem Schreck zu erholen, wollten wir uns einen Kaffee in einer kleinen Bar am Meer gönnen. Doch als wir sahen, dass der Kaffee fast doppelt so teuer wie eine grosse Flasche Bier ist, haben wir uns umentschieden. Toll, diese Aussicht aufs Meer. So lässt es sich leben. Einfach druflos fahren, neue Orte entdecken, anhalten, Pause machen, abschalten, nichts müssen.

Anschliessend gönnten wir uns noch einen „Gump“ ins kühle Wasser. Das Meer mit seinen 22 Grad war ein schöner Kontrast zur über 30 Grad warmen Luft.

Erst auf dem Heimweg merkten wir, in was für einem „Roller-Mekka“ wir hier gelandet waren. Wie zuvor in Kenting, konnte man auch hier rund um den Haupthafen eine Roller-Vermietung neben der anderen finden. Der Roller ist ja auch die bequemste Methode, um diese Insel zu erkundigen. Wahrscheinlich hat es auf Lanyu mehr Roller als Einwohner. Es leben nämlich nur 4000 Leute auf dieser Insel. Wir möchten nicht wissen, wie es wäre, wenn wir in der Hochsaison in Lanyu gelandet wären. Diese holprige und teilweise in die Jahre gekommene Strasse mit 3999 anderen Rollerfahren teilen? Lieber nicht.

Zum Znacht gönnten wir uns einen lokalen Festschmaus: Fritierter Fliegenfisch (Lanyu’s Spezialität), Schwein nach traditioneller Art und dazu Gemüse und Reis. So lecker.

Zurück im Hostel wurden wir mit Musik und Gelächter empfangen. Ein paar Einheimische feierten anscheinend eine kleine Party im Mini-Pavillon vor unserem Hostel. Leider konnten wir uns nicht mit ihnen verständigen. Es hätte uns schon interessiert, was es an diesem normalen Montagabend zu feiern gibt. Vielleicht dieser schöne Sonnenuntergang?

Wir wollten am nächsten Tag jedoch früh raus für den Sonnenaufgang, also gingen wir zeitig ins Bett. Die Party draussen ging aber mindestens noch bis 2.00 Uhr weiter. Lustiges Volk.

Was für ein schöner Tag

Bereits um 4.00 Uhr klingelte der Wecker. Wir wollten den Sonnenaufgang im Osten sehen, also auf der anderen Seite der Insel. In knapp 40 Minuten überquerten wir die Insel − es gibt nebst der Küstenstrasse noch eine Verbindungsstrasse durch die „Berge“, die den Südosten und den Südwesten verbindet. Es war bewölkt und wir waren unsicher, ob wir den Sonnenaufgang überhaupt sehen würden.

Auf der anderen Küstenseite angekommen, suchten wir uns ein schönes Plätzchen am Meer und genossen dort die ersten Sonnenstrahlen. Wir sahen die Sonne zwar nicht aus dem Wasser „schlüpfen“, da es bewölkt war. Aber gleich darauf zeigte sich uns eine wunderbare Morgenstimmung. Was für ein schönes Erlebnis.

Als wir zurück zum Roller liefen, wurden wir dort bereits von zwei kleinen Hunden erwartet. Jöö, sind die herzig. Wir spielten eine Weile mit ihnen. Und dann wollten sie uns nicht mehr gehen lassen. 😅

Wir waren beide noch so müde, dass wir anschliessend den direktesten Weg zurück ins Bett nahmen. Nach einem 3-stündigen „Powernap“ machten wir uns nochmals auf den Weg. Zweite Runde um die Insel. Wie bereits am Vortag durften wir immer mal wieder anhalten, weil eine Herde Ziegen die Strasse blockierte. Die Ziegen waren überall auf dieser Insel.

Auf unserer zweiten Insel-Rundreise entdeckten wir Dinge, die uns am Vortag nicht auffielen.

An der Ostküsten beispielsweise trafen wir auf eine Siedlung mit alten, traditionellen Häuschen. Diese sind halb im Boden, halb ausserhalb gebaut. So sei es in den Häusern im Sommer nicht zu heiss und im Winter nicht zu kalt. Ganz so gut scheint diese Strategie aber nicht aufzugehen, denn bei fast jedem Häuschen hing eine Klimaanlage an der Hausfassade. 😉

Ganz im Süden der Insel befindet sich das Green Green Land. Der perfekte Ort für einen Spaziergang. Und ihr werdet es erraten, warum diese Region so genannt wird:

Nach einem leckeren Reis-Topf-Znacht gings zurück ins Hostel, wo wir uns einen verbitterten „Tschau-Sepp-Kampf“ lieferten. Auf 15 Siege. So verweilten wir uns mehrere Stunden und mehrere Biere lang, bis der Gewinner feststand. 15:14 für mich. Yes. 💪🏼

Von Fischen, Korallen und lustigen Menschen

Bereits war es wieder Zeit, abzureisen. Doch bevor wir um 14.00 Uhr die Fähre zurück nach Taitung nehmen würden, wollten wir uns nochmals ins Meer werfen. Eine Schnorcheltour stand auf dem Programm. Die Hostel-Gastgeberin hatte diese für uns organisiert. Wir wussten nur, dass wir um 9.00 Uhr bereit sein und keine Sonnencreme auftragen sollen.

Tracy, eine junge Taiwanesin, die im Hostel arbeitete, begleitete uns zusammen mit einem anderen Hostelgast. Wir staunten nicht schlecht, als wir mit dem Roller zum Treffpunkt fuhren und dort auf eine „Horde“ junger Taiwanesen trafen.

Wir erhielten dann eine komplette Schnorchel-Ausrüstung: Neoprenanzug, Neoprenschuhe, Schwimmweste, Schnorchel und Taucherbrille. Zuerst belächelten wir die Ausrüstung, denn wir wussten ja, wie warm das Meer war. Doch später waren wir froh darum. In unserer Ausrüstung setzten wir uns dann auf den Roller und fuhren wie eine kleine „Roller-Gang“ alle nacheinander zum Schnorchelspot.

Dort angekommen erhielten wir diverse Anweisungen vom Schnorchel-Coach. Remo und ich haben natürlich nichts verstanden. Zum Glück konnte Tracy uns die wichtigsten Dinge übersetzen. Beispielsweise, dass er jeden eigenhändig aus dem Wasser ziehen würde, der Sonnencreme eingestrichen hatte. Denn deren Inhaltsstoffe schädigen die Korallen. Zudem sollen wir Plastik oder Abfall, denn wir allenfalls im Meer finden würden, in einem Drybag sammeln. Wenn das nur überall so strikt gehandhabt würde. Da könnte sich manch einer eine Scheibe abschneiden.

Die Hälfte unserer Schnorchel-Gruppe schien noch nie einen Fuss ins Meer gesetzt zu haben. Auf jeden Fall dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis wirklich alle im Wasser waren. Was wir da sahen, war wunderschön. So viele farbige Fische, Korallen und weitere „Meeresfrüchte“ schwammen an uns vorbei. In dieser Unterwasserwelt verloren wir jedes Zeitgefühl. Obwohl sich auf Lanyu die Welt etwas langsamer zu drehen scheint, war die Zeit im Wasser viel zu schnell vorbei.

Als wir bei der Rückfahrt am Schnorchel-Treffpunkt vorbeifuhren, waren wir etwas irritiert. Werden wir uns noch einen zweiten Schnorchelspot ansehen? Doch die Fahrt endete bereits beim Hafen. „You jump, I take picture.“ So konnte einer nach dem anderen von der Strasse aus ins Hafenbecken springen. Höhe: 1.5 m, maximal. Doch für die „wasserscheuen“ Taiwanesen war dies wohl eine riesen Sache. Sie zögerten, nahmen Anlauf, stoppen, zögerten, kicherten, schauten sich um und sprangen dann endlich ins Wasser. Eigentlich hätten wir diese Zeit lieber noch bei den Korallen verbracht. Aber egal. Es war lustig den anderen zuzuschauen, während wir uns nach dem Sprung von der Schwimmweste durchs Hafenbecken treiben liessen.

Zurück im Hostel gönnten wir uns noch eine Dusche und packten unsere Rucksäcke. Dann gings mit dem Boot weiter nach Taitung. Auch diese Fahrt haben wir glücklicherweise ohne Seekrankheit überstanden. Die Fahrt war eindeutig ruhiger als die Hinfahrt. Und doch waren wir wiederum froh, als wir wieder Boden unter den Füssen hatten.

Zurück nach Jinzun

Richtig gelesen. Nach nur gerade einer Woche zog es uns bereits wieder zurück nach Jinzun. In das kleine Dörfchen mit Charme, Wellen und guter Stimmung. Die Vorfreude war riesig, denn jetzt trennte uns nur noch eine 30-minütige Busfahrt von unserem „taiwanesischen Zuhause“. 😊

Warum wir jedoch nicht wie geplant den Bus zurück nach Jinzun genommen haben und wie Remo zu seiner ersten „betel nut“ kam, erfahrt ihr im nächsten Beitrag.

1 Kommentar zu „Lanyu | Wo sich die Welt etwas langsamer dreht

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