Fushi | 17. – 19. März 2020
Die Besitzerin unserer neuen Unterkunft schrieb uns, dass sie uns bei der Bushaltestelle in Fushi abholen kommt. Also warteten wir dort. Wenig später hupte es und eine freundliche Dame winkte uns von ihrem Roller aus zu. „Follow me“ sagte sie. Also gut. Los geht’s.
Lilly, wie sie sich uns später vorstellte, führte uns ca. 5 Minuten durch ein sehr heruntergekommenes und schäbig-dreinschauendes Quartier. Hier sollten wir also übernachten. Das kann ja heiter werden.
Wenig später schämten wir uns für diesen Gedanken. Man sollte nie zu früh urteilen. Denn inmitten der vielen eher traurig reinschauenden Garagen und Hauseingängen, wartete eine kleine Oase auf uns.
Das Yu Shao Hao Hsien Guesthouse, welches Lilly liebevoll nach ihren beiden Söhnen benannt hat, ist top eingerichtet. Doch vor dem Eintreten − Schuhe ausziehen. Das ist hier üblich. Hausschuhe lagen bereits für uns bereit.
Im EG erwartete uns ein kleines „Wohnzimmer“ mit Küche. Durch das niedlich eingerichtete Treppenhaus erreichten wir unser Zimmer im dritten Stock. Niedlich eingerichtet heisst, dass überall kleine Figürchen das Geländer, die Wände und jegliche weiteren Abstellflächen zierten. Hier wurde mit viel Liebe dekoriert. Für unseren Geschmack vielleicht fast ein bisschen zu viel Liebe. 😅
Die Türe neben unserer Zimmertür führte direkt auf den Balkon. Wir haben es einmal mehr super getroffen. Wir schauten uns um. Und ein Gegenstand liess uns besonders strahlen: die Waschmaschine. Es war nämlich langsam an der Zeit, dass wir unseren Kleidern einen neuen, frisch-riechenden Duft einhauchten.

Müde von der Wäscherei, dem Wandern und Reisen gönnten wir uns zum Znacht einen Nudeltopf im gemütlichen Wohnzimmer und schauten Fern. Fast wie Zuhause.
Mit dem Roller durch die Schlucht
Lilly verwöhnte uns nach Strich und Faden. Um Punkt 9.00 Uhr brachte sie uns ein ausgewogenes und wieder einmal viel zu grosses Frühstück. Dann fuhr sie uns sogar zur Roller-Vermietung, da diese zu weit weg sei. Eigentlich waren es nur 25 Minuten zu Fuss, aber uns war es recht.
Die Rollermiete in Taiwan ist ein Kinderspiel. „Read here, sign here, please your driving license. Ok. Your passport stay here. Gas station is over there. Here is a map. Helmet? Ok. Take care“.
Okay. Uns solls recht sein. 😅
Wir schnappten uns einen Helm und fuhren einfach mal „druflos“. Schnell war uns klar, dass die äusserte Spur wohl nur für Roller und Fahrräder war. Also hatten wir unsere eigene Spur. Luxus. Doch „unsere Spur“ wurde auch gerne als Parkplatz für Autos genutzt wird. Also kurvten wir uns durch bis zum Fusse der Taroko-Schlucht.
Unser erster Halt: Das Taroko-Visitor-Center. Dort wollten wir uns kurz erkundigen, was es hier eigentlich alles zu sehen gibt und welche Trails zu empfehlen sind. Wir holten uns eine Karte und weiter ging es. Doch nach ca. 5 Minuten Roller-Fahrt wurden wir gestoppt. Die Strasse war aufgrund von Reparaturarbeiten geschlossen. Wie lange? Keine Ahnung. Aber als immer mehr Autos und Roller vor uns auf der Strasse umdrehten, kehrten auch wir zurück zum Visitor Center und gönnten uns eine lange und ausgiebige Kaffeepause. Wir nutzen die Zeit, um unsere nächsten Tagesausflüge zu planen.
Nach gefühlt 2 Stunden versuchten wir es erneut und siehe da, die Strasse war offen. Juhu. Endlich ging es ab in die Schlucht. Die Strasse schlängelte sich dem Fluss namens „Liwu River“ entlang mehrere Kilometer durch die steile Schlucht. Links und rechts fast vertikale Felswände. Hellblaues Flusswasser. Steile Kurven. Schmale Tunnels. Wir genossen die Fahrt. Beide voller Ehrfurcht für dieses Naturspektakel.
Wir fuhren bis ans Ende der Schlucht, wo die Strasse sich dann den Berg hinauf ins nächste Dorf schlängelte. Es war toll, dass wir einfach mal nach unserem „Gusto“ stoppen und eine Pause machen konnten. Mit dem Bus wären wir etwas mehr gebunden gewesen. Und Remo hatte seinen Spass, wieder einmal auf zwei Rädern unterwegs zu sein.








Zuvor hatte wir uns einen Trail für eine kurze Nachmittagswanderung herausgesucht. Doch leider war dieser gesperrt. Wie wir später herausfinden mussten, waren relativ viele Wanderwege aufgrund von Unterhaltsarbeiten geschlossen. Der Nachteil, wenn man in der Nebensaison reist. Wir machten das Beste daraus und gingen beim Lüshui-Trail einfach so weit, bis der Weg geschlossen war. Auch schön. Passt für uns.
Zurück im Guesthouse besuchte uns Lilly. Sie hatte einen längeren, auf Englisch übersetzten Text für uns bereit. Darin gab sie Empfehlungen ab, was wir uns hier und in Hualien unbedingt anschauen sollten und schrieb, dass sie sehr gerne mehr über uns erfahren würde und ob wir etwas Plaudern wollen. So süss.
Also zückten wir unser Handy und starteten Google Translator. Wir beantworten uns gegenseitig die Fragen, indem wir die Antwort via Google Translator übersetzen liessen. Es war schön und auch spannend, endlich auch mal mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen. Da stand uns bisher immer die sprachliche Barriere im Weg. Und selten hatte jemand die Geduld wie Lilly, sich via Übersetzer zu „unterhalten“.
Lilly hat zwei Söhne und zwei Enkelkinder. Sie ist 51 Jahre und war Krankenschwester, ist aber bereits pensioniert. Wir trauten uns nicht zu fragen, ob das hier üblich ist. Denn wie es schien, geht es Lilly und ihrer Familie finanziell sehr gut. Sie haben ein grosses Haus, mehrere Autos, Roller und eben dieses sehr schön eingerichtete Guesthouse, welches anscheinend erst gerade vor zwei Monaten eröffnet wurde.
Als wir Lilly Bilder von Obwalden zeigten, hörten wir nur noch „Oh“ und „Ah“. „This is my dream place“ übersetzte sie uns und wir konnten sie gut verstehen. Ein paar „Heimweg-Gefühle“ machten sich in uns breit. Obwalden ist wunderschön und wir freuen uns, in ein paar Wochen wieder zurückzukehren. Das einzige, was unserer Meinung nach in Obwalden fehlt, ist der Meeranschluss. Und den geniessen wir hier noch in vollen Zügen. (Spoileralarm: Ja, wir sind etwas „hindedri“ mit unseren Beiträgen und bereits seit einigen Tagen zurück am bzw. im Meer. Aber eins nach dem anderen. 😉)
Nach einer ganzen Weile, fragte Lilly uns plötzlich, ob wir schon ein Abendessen hätten und meinte nur mit Nachdruck, dass wir mehr essen sollen als „nur“ einen Nudeltopf. Randnotiz: Ein Nudeltopf enthält wahrscheinlich etwas 200 gr Nudeln, manchmal noch Fleisch- und Gemüsestückchen plus die Suppe inklusive. Also für uns Europäer eigentlich eine „rechte“ Portion. Hier bestellen die Leute zum Abendessen mehrere Schälchen und Platten mit Reis, Nudeln, Gemüse, Ei, Fleisch und Tofu. Keine Ahnung, wohin die all diese Sachen packen. Wir sind immer wieder beeindruckt.
Zurück zu Lilly. Sie meinte, wir seien zu dünn und müssten gestärkt sein fürs Wandern. Sie bringe uns ein Abendessen vorbei. Wir konnten nicht „Nein“ sagen und waren gespannt, was uns erwartete.
Wir staunten nicht schlecht, als sie mit fünf Schälchen wieder bei uns anklopfte. Unserer Meinung nach, hätte das locker für 4 Personen gereicht. Geflügelsuppe, Kürbis mit Ei, grünes Gemüse, Fleischstückchen extra-zart und Reis. Hmmm, lecker. Wir liessen es uns schmecken, mussten dann aber doch das eine oder andere stehen lassen. Es war einfach zu viel. 😅




Shakadang − dem Fluss entlang
Am nächsten Tag wollten wir den regenlosen Morgen nutzen, um einen kurzen Trail zu machen. Den Shakadang Trail. Also Wanderung ist übertrieben. Es war eher ein 2-stündiger Spaziergang entlang des Shakadang Rivers. Hat uns sehr gut gefallen.






Ich hatte dann am Nachmittag eine weitere Arbeits-Session geplant. Es war toll, wieder einmal von meinen Arbeitsgspändli zu hören. 😊
Remo nutzte die Zeit, um mehr über Taiwan herauszufinden. Insbesondere auch den Reisanbau hier. Die schönen Reisfelder haben es uns angetan und wir wollten herausfinden, ob man auch in der Schweiz Reis anbauen könnte. Und siehe da, es gibt bereits einige Pilotprojekte in der Westschweiz und im Tessin. Spannend. Diese Idee werden wir weiter verfolgen.
Wieder einmal ein Tempel
Am nächsten Tag packten wir unsere sieben Sachen, durften die Rucksäcke aber noch im Guesthouse stehen lassen. Wir wollten nochmals in die Schlucht. Und das hat sich mehr als gelohnt. Sobald wir die grosse Brücke in Tianxiang überquert hatten, führten viele Treppenstufen hinauf zum Xiangde Tempel. Diese Treppensteigerei. Oben angekommen, trafen wir auf einen schönen Platz mit goldenen Statuen und einer herrlichen Aussicht auf die Schlucht.







Zurück im Tal holten wir unsere beiden „Riesenrucksäcke“ und hieften diese irgendwie auf den Roller. Lilly schaute noch kurz vorbei, um uns zu verabschieden. Sie fragte, ob es okay wäre, wenn sie ein Foto mit uns macht. So süss. Das Tschüss-sagen war fast ein bisschen emotional, aber auch hier wurde nicht umarmt. Das gehört sich anscheinend wirklich nicht. Wir werden Lilly vermissen. Sie war fast wie ein 2. Mami für uns hier in Taiwan.
Vollbepackt fuhren wir zur Roller-Vermietung. Der Vermieter staunte nicht schlecht, als wir mit dem vielen Gepäck „anrollten“. Das Zurückgeben war wie das Abholen. Easy. Er fragte nur ob alles OK sei, wir sagten ja, er holte Remo’s Pass und wir konnten gehen. Wir mögen diese unkomplizierte Art der Taiwanesen.
Nächster Halt: Hualien
In Hualien wollten wir wiederum drei Nächte verbringen und die Gegend erkundigen. Warum wir beim Hostel fast wieder weggeschickt wurden und wieso wir fürs Znacht immer wieder am gleichen Ort landeten, erfahrt ihr im nächsten Beitrag.