Taipeh | 4. – 6. März 2020
Zwei naturliebende Landeier in einer 3-Millionen-Stadt − kann das gut gehen?
Bei der Anreise lief alles prima. Die Flüge waren pünktlich. Ein kurzer Zwischenhalt in Dubai, um die Füsse zu vertrampen, kam uns sehr gelegen. Und schon ging es weiter nach Taipeh.
Im Flugzeug von Dubai nach Taipeh streckte uns die Stewardess zwei Zettel hin.
- 1 x Einreisedeklaration-Zettel-Dings-Bums. As always.
- 1 x (in Grossbuchstaben) COVID-19-Declaration
„Waren Sie in den letzten 14 Tagen in Italien, Iran, Südkorea oder China?“ Nein. Zum Glück nicht.
Die gleiche Frage durften wir dann vor der „Immigration-Control“ am Flughafen Taipeh nochmals beantworten. Doch dieses Mal im „Röntgenblick“ eines eher mürrig dreinschauenden Beamten. Stichprobenmässig wurde auch der Reisepass kontrolliert oder Fieber gemessen. Die nehmen das also wirklich sehr ernst.
Bereits im Flugzeug kamen wir uns sehr „exotisch“ vor. Wir tanzen nicht nur wegen unseres westlichen Aussehens aus der Reihe. Auch gehörten wir zu den wenigen „Nicht-Masken-Träger“. Plötzlich packte uns das „schlechte Gewissen“ − doch die Crew hatte keine Masken an Bord, also blieben wir maskenlos.
Immigration passiert, Backpack abgeholt. Es geht direkt weiter mit der Metro zur Taipeh Main Station, 5 Gehminuten von unserem Hostel entfernt. Uns plagte ein komisches Gefühl. Vielleicht lag es an der Weltuntergangs-Stimmung draussen. Es war kurz vor 18.00 Uhr , stark bewölkt und bereits am Eindunkeln. Vielleicht lag es aber auch an den vielen „emotionslosen“, fremd-aussehenden Masken-Trägern, die uns umgaben und versuchsweise „unauffällig“ musterten.
An der Taipeh Main Station angekommen, fanden wir unser Hostel dank der App „MapsMe“ nach einigen Minuten (und 2-3 überflüssigen Strassenüberquerungen). Im Hostel wurden wir freundlich begrüsst und durften sogleich unsere „Capsule“ im gemischten Massenschlag beziehen. Für CHF 30.-/Nacht hatten wir unsere kleine Ecke, mit grosser Matratze, Safe und Rollo für etwas Privatsphäre. Mehr brauchen wir nicht. Gefällt uns.
Backpack hinschmeissen und losziehen. Das war unser Plan. Wir stürzten uns direkt unter die Menschen und suchten (zuerst etwas ratlos) nach dem nächsten Nightmarket. Es startete zu Regnen. Toll. Das komische Gefühl in uns breitete sich weiter aus. Eine Leere. Als ob wir in einer Glaskugel sitzen, alle guten und positiven Gefühle um uns herum, aber für uns momentan nicht greifbar.
Endlich da, waren wir etwas unschlüssig. Diese grossen „Street Food Festival“-ähnlichen Nightmarkets haben ihren Charme. Doch so viele unbekannte Gerüche traten uns in die Nase. Unter anderem auch der „Gestank“ des weltberümten „Stinky Tofu“ – den wir zuerst als Abwasser-Getank abtaten 😂.
Wir entschieden uns für etwas Nudelmässiges mit Fleisch. Es war lecker, auch wenn das Essen mit den Stäbchen noch nicht so bäumig klappte.
Immer noch mit einer etwas gedrückten Stimmung schlurften wir zurück ins Hostel. Das war also Taiwan? Hmmm.
Neuer Tag, neues Glück
Der Wecker klingelte um 9.00 Uhr. Uns war das egal. Wir schliefen weiter. Taipeh kann warten. Das komische Gefühl immer noch in uns.
Drei Stunden später haben wir uns gezwungen, aufzustehen. Wir sollten etwas essen. Aber Hunger hatten wir eigentlich keinen. Was soll das? Heimweh? Gegenseitig versuchten wir uns (mehr oder weniger erfolgreich) zu motivieren.
Wir machten uns auf den Weg zum Taipeh 101 – dieses grossartige, architektonische Kunstwerk (zwischen 2004 bis 2007 das höchste Gebäude der Welt) sollte uns bezaubern und uns das schlechte Gefühl nehmen.


Wir schlurften weiter durch das Taipeh-101-Viertel. Der Himmel war immer noch mit dicken Wolken bedeckt. Keine Sonne in Sicht. Ein kühler Wind fegte durch die Stadt und kroch durch unseren Jackensaum die Ärmel hoch. Leere und Kälte. Und endlich ein bisschen Hunger. Da hilft nur eins: Pizza.
Ja, wir schämten uns, als wir wenig später in der Mall eine Pizza Hawaii bestellten. Aber irgendwie kamen wir einfach nicht aus dieser Negativspirale raus.
Die Pizza war grässlich. Wer bestellt schon Pizza in Asien? 😂
Wir mussten lachen. Vielleicht brauchten wir genau das. Wir entschlossen uns, das schlechte Gefühl auf den Kulturschock zu schieben und der Stadt nochmals eine Chance zu geben. Uns war ja klar, dass es hier anders sein wird. Also los. Wir gingen einfach mal der Nase nach und landeten hier:
Die Dr. Sun Yat-sen Memorial Hall. Bevor wir eintreten, hielt uns der Beamte ein Fieber-Mess-Gerät an die Stirn. Corona lässt grüssen.
„You are OK. Welcome.“ Puh, merci.

Wir waren geflasht. Vor uns eine riesige, andächtigstimmende Statue von einem gutaussehenden Herren. Später lernten wir, dass dies Dr. Sun Yat-sen, „Father of the Nation“ von Taiwan, ist. Er hat 1911 das heutige Taiwan als demokratischen Staat mitgegründet und war erster „vorläufiger“ Präsident von Taiwan.
Kaum hatten wir die Halle betreten, kommen drei Soldaten auf uns zu marschiert. Natürlich innerhalb der Absperrung. Die Soldaten trugen Stiefel, die unten eine spezielle, Steptanz-ähnliche Sohle hatten. Ihre Gangart war gleichzeitig Augenweide wie auch Ohrenschmaus. Spannend. Was passiert nun?
Soldatenwechsel auf dem Wach-Podest vor der Sun Yat-sen-Statue. Eindrücklich. Das Video dazu findet ihr unten:
Das ging noch etwa 5 Minuten so weiter. Der Wahnsinn, nicht?
Wir stürchelten, fasziniert vom dem Schauspiel, anschliessend noch fast eine Stunde lang durch die oberen Stockwerke des Memorials und entdeckten dabei wunderschöne Gemälde sowie spannende Infos rund um den Father of Nation und Taiwan.
Das schlechte Gefühl? Fast weg. 😊
Die Entdeckerlust hatte uns gepackt.
Und so machten wir uns gleich auf den Weg, um zwei bekannte Tempel anzuschauen.
Der Konfuzius-Tempel. Hier trafen wir nur auf ein paar vereinzelte Leute. Neue Eindrücke in (fast) absoluter Stille. Schön. Vielleicht war es gerade diese Ruhe, inmitten der Grossstadt, die uns in diesem Moment so gut tat.






Eine Taiwanesin bittete uns, ein Foto von ihr zu machen. Sie komme von hier, also von Taiwan, sei aber das erste Mal in Taipeh. Man sah ihr an, dass das hier eine wirklich grosse Sache für sie ist. Sie bedankte sich mehrmals für das Foto und legte uns ans Herz, unbedingt auch beim Tempel neben an vorbeizuschauen.
Also gut.
Inmitten einer eher verlotterten Gegend sahen wir den Eingang zum Dalongdong Baoan Tempel. Aussen machte das Gebäude auch eher einen älteren Eindruck, aber vom Innenhof her, glänzte es goldig und warmes Licht leuchtete auf den Gehweg.
Wir waren beeindruckt. Das können Bilder wohl besser beschreiben als Worte:






Gleich beim Eingang standen zwei grosse Tische. Auf Tablaren waren Krackers, Getränke, Früchte, Gemüse etc. zu sehen. Opfergaben. Fein säuberlich für die Götter deponiert. Diese Götter haben’s gut.
Es waren deutlich mehr Leute zu sehen als im Tempel vorhin. Eine Frau fiel uns dabei besonders auf. Sie stolperte förmlich mit zig Räucherstäbchen von Gottheit zu Gottheit, verbeugte sich energisch und platzierte ein Räucherstäbchen im dafür vorgesehenen „Sand-Topf“ vor der Statue.
Daneben warf ein Mann immer wieder so kleine rote Holzteilchen (mit je einer flachen und einer gewölbten Seite) in die Luft und hoffte darauf, dass ihm die Götter die gewünschte Antwort lieferten. So hiess es jedenfalls im Reiseführer. Nein = beide Hölzchen auf der gleichen Seite. Ja = ein Hölzchen auf der gewölbten, eines auf der flachen Seite. Spannend. Bereits das 10te Mal fallen die Hölzchen. Wir lassen den Mann sein Spiel weiter treiben und lassen auch die Wahrscheinlichkeitstheorie links liegen. 😅
Wir schlenderten von Götterstatue zu Götterstatue und versuchten die (feinen) Unterschiede zu finden. Der Bart ist länger. Der Bauch ist dicker. Da stehen zwei kleine Statuen wie zwei Diener vor der „Hauptstatue“. Die Augen sind zugekniffen. Ein herzliches Lachen. Ein mürrischer Gesichtsausdruck. Was es nicht alles gibt. Keine Ahnung, welcher Gott wofür steht. Und doch spürte man deutlich, dass in diesem Gebäude eine spezielle Kraft wirkte.
Wir sind begeistert von der Detailtreue, welche die Taiwanesen an den Tag legen. Und das nicht nur bei Tempeln. Auch andere Gebäude, die von aussen nicht wirklich etwas hergeben, überraschen mit einem umso schöneren Interieur.
„Digital Freaks“ und die Fahrt ins Grüne
Da ich unterwegs weiter für iTrust arbeiten darf, bin ich auf ein stabiles Internet angewiesen. Daher haben wir uns bereits im Vorfeld dafür entscheiden, eine lokale SIM-Karte zu kaufen. Für 1 CHF/Tag hat man hier unbegrenzt Internet in 4G oder sogar 4G+. Gefällt uns.
Oft sind europäische Handy für den asiatischen Raum „gesperrt“. Daher wollten wir einfach hier vor Ort ein neues, günstiges Handy kaufen.
Nachdem wir am ersten Tag nur an einem „Luxus“-SAMSUNG-Shop vorbeikamen, der natürlich nur die neusten Handys verkaufte, wurden wir stutzig. Wir dachten, es wäre ein Kinderspiel, hier ein günstiges Gerät zu ergattern. Taiwan ist doch die Heimat von ein paar sehr bekannten Handy-Marken.
Im Stadtteil von Zhongxiao Xinsheng wurden wir schliesslich fündig. Und wie. Uns kullerten schier die Augen raus. Da gab es nicht nur eine Mall voll von all den bekannten Marken-Shops, Netzanbietern und Gaming-Accessoirs – rings um die Mall gab es huderte von „Kleinanbietern“, die ebenfalls dieselben Marken anboten, einfach in „günstiger“ oder „second-hand“.




Wir holten uns ein Second-Hand(y) und eine SIM-Card und hatten eigentlich schon wieder genug Menschen für heute. 😅
Also setzten wir uns 20 Minuten in die Metro und wenig später in die Maokong-Gondel. Ja, eigentlich voll das Touri-Programm. Aber da momentan bei fast allen Attraktionen kaum Touristen zu sehen sind, wollten wir uns diese Fahrt ins Grüne nicht nehmen lassen.
Und es hat sich mehr als gelohnt. Kaum zu fassen: Wir fühlten uns der Stadt so fern, obwohl wir nur 20 min von Taipehs Main Station entfernt waren.



Für uns Schweizer war die Gondelfahrt natürlich nicht wirklich eine Attraktion. Maokong ist aber auch bekannt für seine Tee-Plantagen. Vor allem für diese Teesorten: Tie Guanyin Tea und Baozhong Tea.
Mit viel Liebe zum Detail wurden auf dem Maokong diverse Trails bereitgestellt, um Einblicke in die Teeplantagen zu erhalten. Wir machten uns auf den „Spaziergang“ durch die Natur:





Es tat gut, sich ein bisschen Ruhe zu gönnen. Wir tankten bei einem leckeren „Local Tea“ und ein paar letzten Sonnenstrahlen die Aussicht ins Grüne, gleich neben einem wunderschönen Tempel mit „wasserspeihendem“ Drachen, und kehrten dann zurück in die schnell-lebige Stadtwelt.
Jetzt ist es weg. Das komische Gefühl. Wir freuen uns auf viele weitere spannende Erfahrungen in diesem Land mit tausend Gesichtern. 😊
Weiter geht’s nach Keelung
Jetzt sind wir bereits in Keelung und schauen uns den Nordosten der Insel etwas genauer an. Mehr dazu im nächsten Blogbeitrag.
Das macht Ihr gut. Macht weiter so. Wir freuen uns über jede Nachricht von fremden Ländern. Grüessli Günter
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Lieber Günter, vielen Dank für deinen Kommentar. Schön, dass du unsere Reise verfolgst.
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Hoi zäme
Ich bin sehr an der Reise von euch beiden interessiert. Ich bin die Mutter von Muriel Lang. Ihr werden ja Roman und Muriel in Taiwan treffen.
Den Link habe ich von Marianne Wüthrich.
Ich wünsche euch eine unvergessliche super Zeit in Taiwan.
Liebe Grüsse Anneliese Lang
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Liebe Anneliese, vielen Dank für den lieben Kommentar. Wir haben uns gerade bei Muriel gemeldet und hoffen fest, dass wir sie irgendwo auf dieser spannenden Insel treffen werden 😊 Herzliche Grüsse nach Obwalden.
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